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70 Jahre Wirtschaftsdynamik

„Tag für Tag treiben deutsche und französische Unternehmen Handel, innovieren und schreiten voran“

GuyMaugis_Interview

Seit der Gründung der „Offiziellen Deutsch-Französischen Handelskammer“ im Jahr 1955 durch eine Handvoll deutscher und französischer Unternehmen sind mittlerweile 70 Jahre vergangen. Guy Maugis, Präsident der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer und ehemaliger Präsident von Bosch Frankreich, blickt auf dieses menschliche sowie wirtschaftliche Abenteuer zurück.

Wirtschaftlich betrachtet haben in den vergangenen 70 Jahren viele Ereignisse die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen geprägt. Was wäre, wenn Sie nur einige davon hervorheben müssten?

G.M. Der Élysée-Vertrag von 1963 und der 2019 unterzeichnete Vertrag von Aachen sind zwei Meilensteine der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Beziehungen. Der Vertrag von Aachen wurde anlässlich des 56. Jahrestags des Élysée-Vertrags von Emmanuel Macron und Angela Merkel mit dem Ziel unterzeichnet, die deutsch-französische Zusammenarbeit zu intensivieren. Er wurde in erster Linie vom französischen Präsidenten angeregt, um die Dynamik des deutsch-französischen „Paares“ neu zu beleben. Über den Symbolcharakter hinaus ist dies eine Verpflichtung, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern in verschiedenen strategischen Bereichen zu stärken.

Das 1995 in Kraft getretene Schengener Abkommen und die Einführung des Euro im Jahr 2002 waren für Europa entscheidende Wendepunkte. Vereinfachte Verfahren, die Abschaffung von Zöllen sowie die Einführung einer einheitlichen Währung haben sowohl unseren Alltag als auch unsere Geschäftstätigkeit grundlegend verändert. Ich kann mich noch gut an die komplizierte Buchhaltung erinnern, bei der zwischen verschiedenen Währungen umgerechnet werden musste: unter anderem an die Deutsche Mark und die Italienische Lira. Der Euro hat diese Transaktionen bedeutend vereinfacht. Auf industrieller Ebene ist darüber hinaus noch ein dritter Meilenstein hervorzuheben: die Gründung des Konsortiums Airbus EADS (European Aeronautic Defence and Space company) im Jahr 2000, das aus dem Zusammenschluss von DaimlerChrysler Aerospace und Aérospatiale-Matra hervorgegangen ist. Dies ist zweifellos ein großer Erfolg der deutsch-französischen Zusammenarbeit.

 

Aktuell steht die Frage nach einer unabdingbaren industriellen Wiederbelebung im Mittelpunkt der Diskussionen. Wie steht es um die deutsch-französische Zusammenarbeit in diesem Bereich?

G.M. Mit mehr als 3 000 in Frankreich niedergelassenen Unternehmen sind die deutschen Investoren die wichtigsten europäischen Akteure. Ein symbolträchtiges Beispiel ist die Partnerschaft KNDS/Rheinmetall zugunsten des zukünftigen Panzers MGCS. Das Zukünftige Luftkampfsystem (SCAF) ist ein weiterer Schwerpunkt der europäischen Zusammenarbeit im Rüstungssektor mit der Beteiligung von Dassault Aviation, Safran und Airbus Defense. Diese durchaus komplexen Initiativen zeugen von der deutsch-französischen Dynamik in den Schlüsselbranchen. Erwähnenswert ist auch die Zusammenarbeit von Siemens Energy/Air Liquide im Bereich des erneuerbaren Wasserstoffs.

 

Richtet Deutschland derzeit seinen Blick nicht eher Richtung Osten als nach Frankreich?

G.M. Deutschland schaut auch nach Osten – das ist seit langem bekannt. Aber aus wirtschaftlicher Sicht sind Frankreich und Deutschland nach wie vor die wichtigsten europäischen Partner. Unternehmen suchen schon immer zuerst nach Kunden und Märkten in ihrer Nähe. Natürlich spielen politische Entscheidungen eine Rolle, aber die Unternehmen handeln, wachsen, innovieren und schreiten schrittweise von Tag zu Tag voran. Ich glaube sehr an diesen pragmatischen Ansatz, der meiner Meinung nach zielführender ist als große Reden und ambitiöse Prognosen.

 

Deutschland befindet sich in einer Rezession und Frankreich baut seine Staatsverschuldung aus: was können diese beiden Länder von einer Zusammenarbeit erwarten? Ist die Krise nicht besonders schwerwiegend?

G.M. Seit jeher werden Unternehmen mit verschiedensten Krisen konfrontiert: die Ölkrise im Jahr 1973, die Krise des Währungssystems 1992-1993, die Subprime-Krise 2008, die Covid-Pandemie 2020... Man sollte sich vor Augen halten, dass zur Zeit des Ölpreisschocks der Benzinpreis in Frankreich einen Höchststand von 2 Francs pro Liter erreichte, während der Stundenlohn bei 5 Francs lag. Die Benzinpreise liegen heute bei rund 2 Euro und der Mindestlohn beträgt etwa 10 Euro... Und damals verbrauchten die Autos 15 Liter auf 100 Kilometer! Die aktuelle Krise ist zweifellos ernst, aber dennoch stehen uns Mittel zur Verfügung, von denen ich eines für besonders wichtig halte: die Aus- und Weiterbildung. Es liegt an uns, innovativ zu sein, neue Produkte und Dienstleistungen ins Leben zu rufen, die Automaten der Zukunft zu entwerfen... Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zukunft liegt in der Bildung.