Wasserstoff: Schlüsselelement für die Energiewende

Für den langfristigen Erfolg der Energiewende und für den Klimaschutz brauchen wir Alternativen zu fossilen Energieträgern. Wasserstoff wird dabei als vielfältig einsetzbarer Energieträger eine Schlüsselrolle einnehmen.

Klimafreundlich hergestellter Wasserstoff ermöglicht es, die CO2-Emissionen vor allem in Industrie und Verkehr dort deutlich zu verringern, wo Energieeffizienz und die direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht ausreichen.

Neben den klimapolitischen Aspekten geht es bei Wasserstofftechnologien auch um viele zukunftsfähige Arbeitsplätze, neue Wertschöpfungspotenziale und einen globalen Milliardenmarkt. Deutsche Unternehmen sind in diesem Bereich bereits sehr gut aufgestellt, etwa bei der Brennstoffzelle und der Elektrolyse für die grüne Wasserstofferzeugung. Ziel ist, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien seine globale Vorreiterrolle behauptet. Die Bundesregierung hat deshalb eine Nationale Wasserstoffstrategie erarbeitet und diese mit einem Aktionsplan untermauert, der fortlaufend weiterentwickelt werden soll. Das Bundeskabinett hat die Nationale Wasserstoffstrategie am 10. Juni 2020 beschlossen. Zur konsequenten Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie wird eine flexible und ergebnisorientierte Governance-Struktur geschaffen. Im Mittelpunkt steht dabei die Einrichtung eines Nationalen Wasserstoffrates (PDF, 800 KB), der am 09. Juli 2020 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen trat.

Die deutsche Wassrstoffstrategie verfolgt folgende Ziele:

  • Klimafreundlich hergestellten Wasserstoff, insbesondere aus erneuerbaren Energien, und seine Folgeprodukte als Schlüsselelemente der Energiewende etablieren, um Dekarbonisierungsprozesse in bestimmten Bereichen vollenden zu können.
  • Die regulativen Voraussetzungen für einen Markthochlauf der Wasserstofftechnologien schaffen, das heißt inländische Märkte für die Erzeugung und Verwendung von Wasserstoff ermöglichen. Dabei liegt der Fokus auf solchen Bereichen, die bereits nahe an der Wirtschaftlichkeit sind oder die sich - nach derzeitigem Stand der Technik - nicht anders dekarbonisieren lassen, wie bestimmte Industrie- und Verkehrsbereiche (Luft-, Schiffs-, Fernlastverkehr).
  • Mit dem Aktionsplan die Kosten bei der Umsetzung von Wasserstofftechnologien senken, um globale Märkte anzustoßen.
  • Deutsche Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem Forschung und Entwicklung und der Technologieexport rund um innovative Wasserstofftechnologien forciert werden.
  • Die zukünftige nationale Versorgung mit Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und dessen Folgeprodukten sichern und gestalten. Das heißt, neben heimischen Erzeugungspotenzialen verlässliche internationale Partner – mit Schwerpunkt EU – für die Gewinnung und den Transport von Wasserstoff finden beziehungsweise entsprechende Kooperationen und Importstrukturen aufbauen. Dies bietet zudem die Chance zum Ausbau des EU-Energie-Binnenmarkts sowie zur Kooperation mit sonnen- und windreichen Entwicklungsländern, die ein hohes Potenzial an erneuerbaren Energien haben – von ihnen könnte Deutschland sogenannten "grünen Wasserstoff" importieren. Übergangsweise wird auch ein europäischer Markt für CO2-neutralen Wasserstoff entstehen (sogenannter „blauer“ oder „türkiser“ Wasserstoff), der den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien anwendungsseitig beschleunigen wird (zum Beispiel in der Stahlindustrie).

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie schafft die Bundesregierung einen verlässlichen Rahmen, der Innovationen und Investitionen stärkt und damit Wachstum und Arbeitsplätze in einem nachhaltigen Energie- und Wirtschaftssystem unterstützt.

Um die künftige Rolle gasförmiger Energieträger im Rahmen der Energiewende gemeinsam mit Unternehmen, Branchenverbänden und Nichtregierungsorganisationen sowie anderen Ministerien und mit den Bundesländern zu erörtern, hatte das BMWi bereits im Dezember 2018 den „Dialogprozess Gas 2030“ angestoßen. Am 9. Oktober 2019 stellte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erste Ergebnisse des Dialogprozesses vor.

Forschungsnetzwerk Wasserstoff

Am 30. September 2020 hat das Forschungsnetzwerk Wasserstoff mit über 1.000 Mitgliedern seine Arbeit aufgenommen. Das Forschungsnetzwerk ist als ein Element der Nationalen Wasserstoffstrategie ein wichtiger Impulsgeber für die Forschungs- und Innovationspolitik im Wasserstoffbereich mit Fokus auf Anwendungsnähe und Praxistransfer. Das Forschungsnetzwerk Wasserstoff wird im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. Wegen der ressortübergreifenden Bedeutung des Themas Wasserstoff sind die Bundesministerien für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sowie Bildung und Forschung (BMBF) beteiligt.

 

WAS IST WASSERSTOFF?

Wasserstoff ist ein Gas und auf der Erde reichlich vorhanden, allerdings fast ausschließlich in chemischen Verbindungen (Wasser, Säuren, Kohlenwasserstoffen, etc.). Wasserstoff wird gewonnen, indem man Wasser (H2O) in Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H2) aufspaltet. Allerdings braucht es viel Energie, um das Molekül H2 abzuspalten. Geschieht dies mit Hilfe elektrischen Stroms, spricht man von Elektrolyse.

Elektrolyse mit Strom aus Erneuerbaren

Für die Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse kann Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne verwendet werden. Dann spricht man von „grünem“ Wasserstoff. Das Verfahren wird auch als Power-to-Gas bezeichnet – es ist eine der Power-to-X-Technologien (PtX-Technologien), bei denen Strom genutzt wird, um zum Beispiel Gase (Power-to-Gas), Wärme (Power-to-Heat) oder flüssige Energieträger (Power-to-Liquid) herzustellen. PtX-Technologien gelten als wichtige Lösung, um die Klimaziele einzuhalten und den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern.

Aber auch der durch CO2-Abscheidung und -Speicherung (sogenannte Carbon-Capture-and-Storage, CCS) produzierte „blaue“ Wasserstoff kann mindestens für eine Übergangszeit einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten. Der blaue Wasserstoff gilt als CO2-frei, wenn bei der Herstellung kein CO2 in die Atmosphäre entweicht. „Grauer“ Wasserstoff hingegen ist nicht CO2-neutral: Bei der Herstellung fällt in jedem Fall CO2 an, da er aus fossilen Energiequellen wie beispielsweise Erdgas gewonnen wird oder in der Industrie entsteht.

Sektorkopplung bringt große Vorteile

Ein wichtiges Element in der Wasserstoffstrategie ist die sogenannte Sektorkopplung. Sie dient der engeren Verzahnung beziehungsweise Vernetzung von Strom und Wärme, Verkehrssektor und Industrie. Die Sektorkopplung bringt gleich mehrere große Vorteile. Durch sie kann auch in vielen Bereichen der Industrie, die sich schlecht elektrifizieren lassen, Strom aus erneuerbaren Energien indirekt zum Einsatz kommen. Auf diese Weise ermöglicht sie es, dass mithilfe erneuerbarer Energien alle Sektoren ihre CO2-Emissionen verringern können.

Ein weiterer Vorteil ist, dass durch Effizienzgewinne der Energieverbrauch insgesamt gesenkt werden kann. Das alles führt zu einer Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen und dient somit dem Klimaschutz. Zudem kann die Nachfrage nach elektrischer Energie deutlich flexibler gestaltet werden und so ein Ausgleich zu den Angebotsschwankungen bei erneuerbaren Energien (Wind, Sonne, Biomasse) geschaffen werden.

Wofür wird Wasserstoff verwendet?

Wasserstoff wird heute vor allem in der chemischen Industrie, zum Beispiel zur Herstellung von Stickstoffdünger, in Erdölraffinerien zur Raffinierung von Mineralöl oder bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen verwendet. Künftig soll er aber noch in viel mehr Bereichen eingesetzt werden: In der Industrie oder auch im Bereich Mobilität - Stichwort emissionsfreie Antriebstechnik – soll er einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten.

Aber: Noch ist die Erzeugung von CO-freiem (grünem) Wasserstoff teuer, und die Produktionsumstellung auf wasserstoff-basierte Anlagen erfordert hohe Investitionen. Ziel muss sein, durch große Nachfragemengen an „grünem“ Wasserstoff Skaleneffekte in der Produktion zu realisieren, um kostengünstig zu produzieren. Das geht nicht von heute auf morgen und benötigt internationale Kooperationen sowie einen großen Absatzmarkt.

Geplante Verwendungsbereiche:

  1. Im Verkehrssektor: insbesondere im Fern- und Schwerlastverkehr, in der Schiff- und Luftfahrt (Stichwort „mobile Brennstoffzelle“).
  2. Als Grundstoff für weitere gasförmige und flüssige synthetische Energieträger und Grundchemikalien (unter anderem im Raffinerie- und Chemiebereich).
  3. Für emissionsarme Fertigungsprozesse in der Industrie (Stahl, Metallverarbeitung).
  4. In der Zement-, Glas- und Keramikherstellung in Kombination mit Kohlenstoffquellen (Carbon Capture and Usage CCU).

Flächendeckendes Tankstellen- und Leitungsnetz notwendig

Im Verkehr ist Wasserstoff vor allem in den Bereichen eine Alternative, in denen voraussichtlich batteriebetriebene Antriebslösungen technisch nicht sinnvoll sind und daher auch zukünftig auf gasförmige oder flüssige Kraftstoffe angewiesen sind. Die Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen kann unter anderem im ÖPNV (Busse, Züge), im Straßenschwerlastverkehr (Lkw) oder in der Logistik (Gabelstapler, Flurförderzeuge) die Elektromobilität ergänzen und den Ausstoß von CO2 und anderen Luftschadstoffen massiv senken. Im Pkw-Bereich hat die Brennstoffzelle gute Perspektiven im Einsatz auf langen Strecken. Wichtig bei alldem ist ein massiver Ausbau des Wasserstoff-Tankstellen- und Leitungsnetzes. Auch im Luftverkehr und in der Schifffahrt wird sich langfristig eine große Nachfrage nach CO2-freien Treibstoffen entwickeln.

„Grauen“ durch „grünen“ Wasserstoff in der Industrie ersetzen

In der Industrie sollen künftig bei vielen Prozessen CO2-frei erzeugter Wasserstoff oder Folgeprodukte wie zum Beispiel Ammoniak oder Methanol zum Einsatz kommen. In Raffinerien wird Wasserstoff - derzeit aber meist aus fossilen Quellen erzeugt - beispielsweise bei der Entschwefelung der Vorprodukte von Benzin und Diesel eingesetzt. Dieser „graue Wasserstoff“ kann dort ohne aufwendige Anpassungen zumindest teilweise durch „grünen Wasserstoff“ ersetzt werden. CO2-frei erzeugter Wasserstoff wird künftig verstärkt auch in der Stahlherstellung und der Metallverarbeitung eingesetzt werden. Dies geschieht bereits in Pilotprojekten in der Stahlindustrie zur Direktreduktion von Eisenerz anstelle des Treibhausgas-intensiven Hochofenprozesses.

Insgesamt Priorität haben kurz- bis mittelfristig Anwendungsbereiche, in denen der Einsatz von Wasserstoff schon heute nahe an der Wirtschaftlichkeit ist, die relativ unabhängig von anderen Voraussetzungen sind oder in denen keine sinnvollen alternativen Optionen zur massiven CO2-Minderung bestehen. Langfristig kann „grüner“ Wasserstoff auch bei der Umstellung auf CO2-neutrale Herstellung beispielsweise in der Zement- sowie in der Glas- und Keramikindustrie in Kombination mit einer Kohlenstoffquelle (CCU) eine wichtige Rolle spielen.

Dialog und Forschungstransfer fördern

Gemeinsam mit wichtigen Beteiligten – insbesondere energieintensive Industriebereiche wie Chemie und Stahl – sollen in branchenspezifischen Dialogformaten langfristige Dekarbonisierungsstrategien auf Basis von CO2-freiem Wasserstoff entwickelt werden. Die Bundesregierung unterstützt die Zusammenarbeit von Wissenschaft und innovativen Unternehmen – mit Vorbildern wie zum Beispiel Carbon2Chem und die Kopernikus-Projekte. Diese Erfahrungen kann Deutschland nutzen, um international sichtbare „Showcase“-Initiativen mit Exportpotenzial zum „grünen“ Wasserstoff aufzulegen.

Die BMWi-Förderung von Forschung und Entwicklung der Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnologien ist in das „Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien“ (NIP) eingebettet. Ziel des bis 2025 laufenden Programms NIP2 ist, Innovationen beim Markteintritt zu unterstützen und die derzeit noch nicht marktfähigen Innovationen für künftige Anwendungen weiterzuentwickeln.

Innovationen im Wärmemarkt

Zudem fördert das BMWi Innovationen im Wärmemarkt wie die Brennstoffzellenheizung. Dieses Programm wurde bereits 2017 vom Einbau solcher Heizungen in privaten Wohngebäuden auf Nichtwohngebäude erweitert. Damit können auch kleine und mittlere Unternehmen sowie kommunale Gebietskörperschaften Förderzuschüsse erhalten.

Eine weitere Initiative sind die „Reallabore der Energiewende“, wo neue Ideen zum Einsatz von Wasserstoff erprobt und umgesetzt werden. Diese innovativen Verfahren sollen dazu beitragen, durch CO2-freien Wasserstoff die Dekarbonisierung der Industrie und des Verkehrssektors breitflächigvoranzutreiben.

Wichtig ist aber zum jetzigen Zeitpunkt die Pilotverfahren in die marktliche Anwendung zu überführen. Anlagen im Industriemaßstab sind notwendig um Skaleneffekte zu erreichen und Märkte zu schaffen.

 

WELCHES POTENZIAL HAT WASSERSTOFF?

Die deutsche Industrie verfügt bei der Erzeugung und Weiterverarbeitung von Wasserstoff bereits über ein breites Know-how. Allerdings ist die Erzeugung von CO2-freiem Wasserstoff - das heißt aus erneuerbaren Energien - noch nicht wirtschaftlich. Um die Entwicklung voranzutreiben und eine Kostendegression zu erreichen, müssen Erzeugungsanlagen im industriellen Maßstab aufgebaut und eine entsprechende Größenordnung in der Herstellung von CO2-freiem Wasserstoff mit einem deutlich wachsenden Absatzmarkt erreicht werden.

Mehr als fünf Millionen Arbeitsplätze

Das alles ist nicht nur energiepolitisch und zur Erreichung der Klimaziele von großer Bedeutung. Es geht mittel- bis langfristig um einen Milliardenmarkt, um neue Wertschöpfungspotenziale und viele zukunftsfähige Arbeitsplätze.
Eine europäische Studie schätzt, dass bis 2050 in der Wasserstoff-Industrie europaweit über 5,4 Millionen Arbeitsplätze und ein Jahresumsatz von 800 Milliarden Euro entstehen können.

Allein mit nationaler Produktion lässt sich der Bedarf an grünem Wasserstoff nicht decken. Deutschland ist heute ein großer Importeur von Energie und wird dies auch in Zukunft bleiben. Deshalb sind grenzüberschreitende Lieferketten auch für Wasserstoff von großer Bedeutung. Hierzu wird Deutschland unter anderen die bestehenden bilateralen Energiepartnerschaften und -dialoge nutzen und sich an dem EU-Forum zur Förderung von „Important Projects of Common European Interest (IPCEI)“ im Bereich Wasserstoff beteiligen. Zudem verbessert das „Pentalaterale Energieforum“ die regionale Zusammenarbeit zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich und der Schweiz.