Französische Entsendereform: Ernüchterung deutscher Unternehmen

„Lohnt es sich noch, Aufträge in Frankreich anzunehmen?“ – Dies ist die Frage, die sich hunderte deutscher Unternehmen seit Jahren stellen, wenn es darum geht, eine vorübergehende Aktivität in Frankreich auszuüben. Grund hierfür sind die französischen Entsendevorschriften, die nach Ansicht der Betroffenen zu streng und teilweise schwerlich umzusetzen sind, sowie die Strafen, die bei der Nicht-Einhaltung der Vorschriften drohen.   Als die französische Regierung mit dem Gesetz vom 06. September 2018 Lockerungen der französischen Regelungen ankündigte, war die Erwartungshaltung dementsprechend groß. Dieses Gesetz versprach unter anderem die Vereinfachung der Formalitäten für Entsendungen kurzer Dauer, ereignisbezogene Entsendungen, wiederholte Entsendungen durch dasselbe Unternehmen und Entsendungen im eigenen Auftrag. In diesem Zusammenhang wurden am 04. Juni 2019 zwei weitere Gesetzestexte erlassen, die weitere Details und Änderungen brachten.  

Vereinfachte Entsendungen
Entsendungen kurzer Dauer & Ereignisbezogene Entsendungen Viele Unternehmen gingen davon aus, von dieser Erleichterung profitieren zu können und nicht mehr zur Erstellung der Entsendeerklärungen und Benennung eines Repräsentanten verpflichtet zu sein. Doch als die Liste der betroffenen Berufsgruppen am 04. Juni 2019 veröffentlicht wurde, war die Enttäuschung groß: erfasst sind Entsendungen von Künstlern, Sportlern, Schiedsrichtern, Forschern, etc., solange die Entsendung eine bestimmte Dauer nicht überschreitet. Die Befreiung von den Formalitäten ist kein Freibrief, denn auch in diesen Fällen müssen die Kernbereiche des französischen Arbeitsrechts beachtet werden.  

Wiederholte Entsendungen
Das Gesetz vom 06. September 2018 eröffnet die Möglichkeit für Arbeitgeber, die regelmäßig Arbeitnehmer nach Frankreich entsenden, sich durch die französische Verwaltung Lockerungen der Formalitäten für die Dauer von bis zu einem Jahr zuerkennen zu lassen. Diese Regelung hat auch insbesondere für grenznahe Unternehmen einen bestimmten Reiz. Um anwendbar zu sein, fehlt derzeit jedoch noch ein weiterer Erlass, welcher die Art und den Umfang der möglichen Erleichterungen festlegen soll.  

Entsendungen im eigenen Auftrag
Entsendungen im eigenen Auftrag sind seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 06. September 2018 von den Entsendeformalitäten befreit. Es geht hierbei beispielsweise um einfache Geschäftsreisen, Messebesuche, Marktakquise, etc. unter der Voraussetzung, dass kein Leistungsempfänger in Frankreich existiert. In diesen Fällen entfällt die Pflicht zur Erstellung einer Entsendeerklärung und zur Ernennung eines Vertreters in Frankreich. Die Kernbereiche des französischen Arbeitsrechts müssen weiter beachtet werden. Die Unternehmen sind dazu verpflichtet, zum Beweis und in Ermangelung eines Vertreters in Frankreich verschiedenste Dokumente, vom Arbeitsvertrag, über den Stundenzettel, zum Lohnnachweis, direkt vor Ort abrufbereit zu halten.

Vereinfachte Formalitäten
Die Anmeldeplattform für Entsendungen (SIPSI) soll im Juli 2019 neu aufgelegt werden: die Anmeldungen werden nun nicht nur in englischer und französischer, sondern auch in deutscher, spanischer und italienischer Sprache möglich sein. Die Webseite soll benutzerfreundlicher und pragmatischer gemacht werden, um Erklärungsfehler zu vermeiden. Die Empfangsbestätigung der Entsendeerklärung soll derart gestaltet werden, dass sie als Beweis der Anmeldung der Arbeitnehmer für den Kunden in Frankreich herhalten kann, ohne empfindliche personenbezogene Daten preiszugeben. Die Verpflichtung, das Dokument Désignation d’un représentant (Mandatierung eines Vertreters in Frankreich) vorweisen zu können, besteht nicht mehr.  

Verschärfte Regelungen und erhöhte Strafen
Im Falle von Zuwiderhandlungen gegen die Entsendevorschriften (Unterlassen der Anmeldung der Mitarbeiter, Unterlassen des Bestellens eines Vertreters in Frankreich, Nicht-Respekt des französischen Arbeitsrechts, etc.) können nunmehr bis zu 4.000€ Bußgeld pro entsendetem Arbeitnehmer und pro Zuwiderhandlung erhoben werden. Die Bußgelder wurden somit im Vergleich zur vorherigen Reglung verdoppelt. Im Falle von wiederholten Zuwiderhandlungen innerhalb einer Frist von 2 Jahren kann ein Bußgeld von bis zu 8.000€ pro entsendetem Arbeitnehmer und pro Zuwiderhandlung erhoben werden.  

Verkürzte Fristen
Mit dem Dekret vom 04. Juni 2019 wurde festgelegt, dass der Arbeitsinspektion nun freisteht, nach der Kontrolle den Vertreter in Frankreich oder direkt den Arbeitgeber zu kontaktieren. In jedem Fall stehen dem Arbeitgeber nur noch maximal 15 Tage zur Verfügung, um der Arbeitsinspektion die erfragten Dokumente in französischer Sprache zur Verfügung zu stellen.

Kontrollpflichten des Auftraggebers
Wo der Auftraggeber sich vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 06. September 2018 nur vergewissern musste, ob sein Auftragnehmer die Entsendeformalitäten erfüllt hat, muss er nunmehr auch kontrollieren, ob der Auftragnehmer eventuell geschuldete Bußgelder aus vorherigen Entsendungen beglichen hat. Der Erlass vom 04. Juni 2019 verpflichtet den Auftragnehmer, dem Auftraggeber schriftlich die Schuldenfreiheit gegenüber den französischen Behörden zu versichern.  

Bestehende Verpflichtungen
Bei gewöhnlichen Entsendungen, Entsendungen im Transportwesen, Entsendungen durch Zeitarbeitsfirmen und konzerninterne Entsendungen müssen die Mitarbeiter nach wie vor online über das SIPSI-Portal angemeldet und ein Vertreter in Frankreich bestellt werden. Zweck ist die Vermeidung und Bekämpfung von illegaler Arbeit, social dumping und Ausbeutung der Arbeitnehmer. Arbeitgeber, deren Mitarbeiter im Baugewerbe tätig sind, müssen außerdem daran denken, die spezifischen Berufsidentifikationskarten (BTP-Karten) zu beantragen.  

Fazit
Da die Lockerungen des Entsenderechts nur einen sehr speziellen Kreis von Arbeitnehmern betreffen, wirkt sich die Reform nicht so weit aus, wie erhofft. Somit besteht seitens der deutschen Unternehmen weiterhin die Erwartung, dass der französische Gesetzgeber zeitnah substanzielle Erleichterungen auf den Weg bringt, damit die wirtschaftlichen Aktivitäten durch den Abbau des Verwaltungsaufwandes für das gros der relevanten Entsendungen wieder positiv stimuliert werden.     

Die Deutsch-Französische Industrie- und Handelskammer unterstützt deutsche Unternehmen bei der Entsendung von Mitarbeitern nach Frankreich. Sie fungiert als Repräsentant gegenüber der französischen Verwaltung und erledigt alle Formalitäten inkl. Beantragung der Berufsidentifikationskarte.